Auswege – Leid lindern – Der Palliativfachtag 2017
Am 13.09.2017 lud das Palliativnetzwerk Leipzig bereits zum 6. Mal zum Palliativfachtag ins Kloster Nimbschen, und wir konnten uns über ca. 150 Teilnehmer freuen.
Auch das Tagungsprogramm orientierte sich am Aufbau der Vorjahre: Am Vormittag standen den Teilnehmern vier parallele Workshops zur Wahl, während sich das Nachmittagsprogramm im Plenum in der Kulturscheune der Klosteranlage vollzog.
Zu Beginn der Plenarsitzung referierten die Workshopleiter kurz über den Inhalt und die Ergebnisse ihrer Sitzungen – zum Einen, um den Gegenstand und die gewonnenen Erkenntnisse ihrer Veranstaltungen noch einmal gebündelt zu vermitteln, zum Anderen, um auch denjenigen, die diesmal vielleicht an einem der anderen Workshops teilgenommen hatten, ihr Themengebiet näher zu bringen.
Workshops
Für Workshop 1, „Rehabilitation – Möglichkeiten und Grenzen“, war ursprünglich Peter Nieland als Referent angekündigt, der (bzw. dessen Anreiseflug) jedoch leider kurzfristig ausfiel. Glücklicherweise konnte der Workshop dennoch stattfinden, denn Nicole Näther aus dem Krankenhaus Grimma (Muldentalkliniken), erklärte sich dankenswerterweise dazu bereit, den Workshop zu halten. Der Dank des Vorstandes für die Rettung in der Not war ihr gewiß und auch der, der Teilnehmer für die kompetente Durchführung !
Workshop 2, „Nacht-Unruhe – Duftkompositionen zum erholsamen Schlaf“, wurde von Sibylle Lück betreut. Sie brachte den Teilnehmern Ideen und Angebote aus der Aromapflege nahe. Als angenehme Besonderheit des Workshops bestand für jeden Teilnehmer die Möglichkeit, sein eigenes kleines Körperöl zusammenzustellen und mitzunehmen.
Workshop 3 wurde vom Vorsitzenden unseres Palliativnetzwerks, Rechtsanwalt Frank Hirschkorn, geleitet. Workshopgegenstand war das neue „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen“, dessen rechtliche Auswirkungen und Praxisrelevanz für Pflegedienstleister erörtert wurden.
In Workshop 4, „Reise ins Trauerland“, hatte es sich Referentin Beate Bahnert zum Ziel gesetzt, den Workshopteilnehmern das Einfühlen in Trauernde zu erleichtern. Ihr Workshop war von der Metapher des Trauerprozesses als Reise geleitet, die viele Anknüpfungspunkte bot. Sowohl im Trauerprozess wie auch auf einer Reise findet sich das Individuum in verschiedenen Landschaften wieder, deren Wahrnehmung seine Stimmung prägt. Als ebenso stimmungsprägend hob Frau Bahnert Begegnungen mit anderen Menschen hervor. Sie betonte, dass Trauer immer individuell verlaufe, jedoch Trauer zugleich immer abschließbar sein müsse. Mit Merksätzen wie „Trauer ist keine Krankheit“ und „Ratschläge sind auch Schläge“ warnte sie davor, Trauernden gegenüber ins „Helfersyndrom“ zu verfallen, das – obwohl im Grunde gut gemeint – dem Betroffenen nicht nütze.
Symposium
Den Plenarteil des Palliativfachtags, das eigentliche Symposium, eröffnete Dipl.-Med. Andrea Bredel mit ihrem faktenreichen Vortrag zu „Schmerztherapie in der Palliativsituation – Bewährtes und neue Therapieoptionen“. Darin ging sie ausführlich auf Eigenschaften sowie Einsatzvor- und Nachteile von Schmerzmitteln ein und gab Anwendungsempfehlungen für diverse verfügbare Wirkstoffe. Sie verglich Wirkungszeiten und Wirkungsdauern verschiedener Medikamente, gab Hinweise und Warnungen für den Einsatz von Opiaten mit anderer Medikation und mahnte die Zuhörerschaft, Patienten nicht mit Wirkmitteln zu überfrachten
Für den zweiten Plenarvortrag stand Referentin Janine Stoye mit dem Thema „BTM und Cannabis – Anwendung und Kostenerstattung“ auf dem Programm, die jedoch kurzfristig ausfiel. Palliativnetzwerksmitglied Jörg Lauckner sprang ebenso kurzfristig als Referent ein. In seiner Präsentation zum Thema „Patronisierung vermeiden“ problematisierte er das Phänomen sprachlicher Entmündigung beim Umgang von Pflegepersonal mit Patienten. Er wies nach, dass die Rede von Pflegepersonal und Angehörigen alten Menschen gegenüber oft viele Züge von Kindersprache trägt und wandte sich gegen das patronisierende Abtun von Patientenanliegen und forderte zum klaren, offenen Gespräch mit den Patienten auf. Als eine Hilfestellung für das einfühlsame Gespräch wurde die sog. „Technik des Spiegelns“ erwähnt. Damit ist gemeint, das vom Gesprächpartner verbal empfangene in eigenen Worten zusammenzufassen und wiederzugeben.
Im dritten Plenarvortrag, dem ersten nach einer halbstündigen Pause, sprach Dr.med. Barbara Schubert (KH St.Joseph Stift Dresden) über das heikle Thema des Sterbewunsches bei Patienten. In ihrem Referat unter dem Titel „Ich will nicht mehr leben! – Vom Umgang mit dem Wunsch nach aktiver Sterbehilfe“ waren Würde und Selbstbestimmung die zentralen Stichworte. Dr. Schubert vertrat den Standpunkt, dass Patienten, die einem Arzt gegenüber einen Sterbewunsch äußern, meist nicht tatsächlich sterben wollten, sondern sich lediglich ein Ende bzw. eine Abwandlung der Therapie wünschten, in der sie sich gegenwärtig befinden.
Wie Jörg Lauckner zuvor sprach auch Dr. Schubert das Spannungsfeld zwischen der Autonomie des Patienten und dem Paternalismus des Arztes an und stellte zur konstruktiven Erschließung des Patientenwunsches ein systematisches Pfadschema aus Entscheidungsfragen vor, das den Patientenwunsch zu ermitteln hilft. Sie hob ferner hervor, dass einerseits der Tod im Schlaf die meistgeäußerte Idealvorstellung unter Patienten ist, und dass andererseits gerade auch die Kontrolle des eigenen Todeszeitpunktes ein vielgeäußerter Patientenwunsch ist. Ein solches Kontrollgefühl wirke nachweislich beruhigend auf Betroffene und befreie sie insbesondere von der Verunsicherung, am Ende ihres Lebens Fremdbestimmung ausgeliefert zu sein.
Nach diesem Tageshöhepunkt an Themenschwere mündete der Palliativfachtag in seinen vierten und letzten Plenarvortrag. Klinikclown Roland Klein von den Clownsnasen e.V. war geladen und sprach unter der Überschrift „Wenn das Schwere leicht wird – Erfahrungsbericht eines Klinikclowns“ aus seiner kontrastreichen, manchmal beklemmenden, aber letztlich freudstiftenden Tätigkeit. Seine lebhaften, bedrückenden wie beglückenden Schilderungen des Einsatzes auf Intensiv- und Palliativstationen, mit Alten wie mit Kindern, lieferten einen auflockernd-erheiternden Abschluss des 6. Palliativfachtags.
Nach den ersten Rückmeldungen war der Palliativfachtag auf vielseitige Art informativ und eine Bereicherung, sodass die Fachtagstradition des Palliativnetzwerks Leipzig im kommenden Jahr am 19.09.2018 fortgeführt wird.
Die Vortragsfolien der Referenten beim 6. Palliativfachtag 2017 im Überblick: