Bericht vom 11. Palliativfachtag am 18.09.2024

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Der Teil­neh­mer­be­richt ist im Win­ter­rund­brief des Hos­piz­ver­eins Leip­zig e.V. er­schie­nen. Wir ver­öf­fent­li­chen hier die Lang­ver­sion:

Am 18. September 2024 ver­an­stal­te­te das Pal­lia­tiv­netz­werk für Leip­zig und Um­ge­bung nun schon zum elf­ten Mal sei­nen Pal­lia­tiv­fach­tag in der Kul­tur­scheu­ne des Klos­ters Nimb­schen – in die­sem Jahr stand der Tag un­ter dem Mot­to Ba­lan­ce fin­den. Ab 9 Uhr ka­men die Teil­neh­mer, die sich für die ver­schie­de­nen Work­shops an­ge­mel­det hat­ten, auf dem schö­nen Ge­län­de des Klos­ters Nimb­schen zu­sam­men. Nach der Ein­schrei­bung be­gan­nen gegen 9.30 Uhr die fünf Work­shops, über die dann nach der Mit­tags­pau­se und zum Be­ginn des Sym­po­siums die Re­fe­ren­ten be­rich­te­ten. Die Pau­sen konn­ten wir im Fre­ien und bei schön­stem Son­nen­schein, gu­tem Es­sen und vie­len Ge­sprä­chen ver­brin­gen.

Die Workshops

Wickel und Auflagen - Uta Wilke

Wilke - Wickel und Auflagen - 1 - StuhlkreisFrau Wilke ver­mit­tel­te in ihrem Work­shop, wie im häus­li­chen Um­feld oder auch in der sta­tio­nä­ren Pfle­ge vie­les mög­lich ist, um dem Pa­tien­ten Er­leich­te­rung zu ver­schaf­fen. Auch die recht­li­che Fra­ge, was darf ich in der Grund­pfle­ge ohne ärzt­li­che An­ord­nung durch­füh­ren, wur­de be­spro­chen. Mit ei­nem pra­kti­schen Bei­spiel, der Be­hand­lung ei­nes Müc­ken­sti­ches, konn­te dies al­les ver­an­schau­licht wer­den.

Selbstfürsorge, Resilienz und Burnout-Prävention - Annegret Majer

Majer - Selbstfürsorge - 1Ich hatte mich für die­sen Work­shop ein­ge­schrie­ben und er be­gann für die Teil­neh­mer un­ter er­schwer­ten Be­din­gun­gen auf­grund von Raum­nö­ten und mit zum Teil er­heb­li­cher Lärm­be­läs­ti­gung. Dies war für uns al­le ei­ne He­raus­for­de­rung, auf die die Re­fe­ren­tin letzt­lich ge­las­sen, hu­mor­voll und pro­fes­sio­nell ein­ging. Ein ge­wis­ses Maß an Re­si­lienz war er­for­der­lich! Frau Majer ist Diplom-Psy­cho­lo­gin, psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Heil­prak­ti­ke­rin, Psy­cho­on­ko­lo­gin und Kon­si­liar­psy­cho­lo­gin an ei­nem Akut­kran­ken­haus.

Nach ei­ner kur­zen Vor­stel­lungs­run­de er­läu­ter­te sie, dass sie das „Pferd von hin­ten auf­zäu­men“ wol­le, al­so the­ma­tisch be­gin­nend mit Bur­nout, dann das The­ma Re­si­lienz und an das En­de die Sel­bst­für­sor­ge stel­len wür­de. Anhand von zahl­rei­chen Fo­li­en er­läu­ter­te Frau Ma­jer das Burn­out-Syn­drom: Es geht um Stress und Stress­be­wäl­ti­gung. Der aku­te Stress wird nach kur­zer Zeit ab­ge­baut, wenn man über funk­tio­nie­ren­de Be­wäl­ti­gungs­stra­te­gien ver­fügt. Chro­ni­scher Stress führt ins Bur­nout mit sei­nen letzt­lich nicht er­folg­rei­chen Be­wäl­ti­gungs­ver­su­chen und dem Ver­lust der Er­ho­lungs­fä­hig­keit. Dazu ge­hört die Er­schöp­fung durch zu viel Mit­ge­fühl und gleich­zei­tig feh­len­de psy­chi­sche und emo­tio­na­le Res­sour­cen, die in Zy­nis&shysmus und ein Ge­fühl der Wir­kungs­lo­sig­keit um­schla­gen kann. Und je nach Be­an­spru­chung fühlt man sich über­for­dert und aus­ge­laugt oder un­ter­for­dert und ge­lang­weilt. Frus­tra­tion ent­steht durch Mo­tiv-Ver­ei­te­lung und die­se kann im Mo­tiv-Ver­lust mün­den. An­hal­ten­der Stress wird oft als Be­dro­hung em­pfun­den. In Dreier-Klein­grup­pen konn­ten wir nun das so­e­ben Ge­hör­te noch ein­mal per­sön­lich be­spre­chen und Er­fah­run­gen tei­len.

Majer - Selbstfürsorge - 2 - TafelarbeitZum Thema Re­si­lienz fand ei­ne klei­ne Be­fra­gung der Grup­pe an der Ta­fel statt, um he­raus­zu­ar­bei­ten, wel­che The­men in die­ser Grup­pe am wich­tig­sten sind. Die Teil­neh­me­rin­nen ar­bei­te­ten zu ei­nem gro­ßen Teil in ei­nem sta­tio­nä­ren Hospiz, auf ei­ner Pal­lia­tiv­sta­tion, bei einem SAPV oder we­ni­ge bei ei­nem am­bu­lan­ten Hos­piz­dienst. Es wa­ren auch eh­ren­amt­lich tä­ti­ge Hos­piz­hel­fe­rin­nen an­we­send. Die The­men Stress und Schwie­rig­kei­ten bei der Ab­gren­zung spiel­ten die größ­te Rol­le, auch in den nach­fol­gen­den Ge­sprä­chen. Re­si­lienz zeich­net sich da­durch aus, dass man für sich in­di­vi­du­el­le Mög­lich­kei­ten der Er­ho­lung fin­det, die auch zur je­wei­li­gen Art der Be­an­spru­chung (Er­mü­dung, Mo­no­to­nie, Frus­tra­tion, Sät­ti­gung, Stress) pas­sen.

Frau Ma­jer er­läu­ter­te nun, dass es emo­tions­orien­tier­te (Ent­span­nung, Ver­mei­dung, Ab­len­kung, Suche nach Trost) und hand­lungs­orien­tier­te (pro­blem­lö­sen­des Han­deln, Ver­än­dern der Si­tu­a­tion, Ver­än­de­rung des Kom­mu­ni­ka­tions­ver­hal­tens u.a.) Be­wäl­ti­gungs­stra­te­gien gibt. Jeder muss für sich he­raus­fin­den, wel­che Stra­te­gie die jetzt ge­eig­ne­te ist und auch zu ei­nem passt. Frau Ma­jer ging noch kurz auf den Be­griff der Sa­lu­to­ge­ne­se ein, also dem in­di­vi­du­el­len Ent­wick­lungs- und Er­hal­tungs­pro­zess von Ge­sund­heit und dem Zu­sam­men­hang mit der in­di­vi­du­el­len Re­si­lienz (nach A. An­to­nows­ky). Zen­tral ist da­bei die Er­fah­rung von Ko­hä­renz, al­so dem Ge­fühl von Ver­steh­bar­keit, Be­wäl­tig­bar­keit und Sinn­haf­tig­keit und sta­bi­len Bin­dungs­er­fah­run­gen.

Nun fand in der Groß­grup­pe ein Aus­tausch über die Mög­lich­kei­ten der Sel­bst­für­sor­ge statt, die oft ge­nug mit ei­nem „Ja, aber ich muss doch aber…“ und da­mit ein­her­ge­hen­dem schlech­ten Ge­wis­sen ver­bun­den ist. Die Sor­ge um die Pa­tien­ten, feh­len­de Wert­schät­zung von Kol­le­gen und man­geln­de Ab­gren­zung kön­nen Sel­bst­für­sor­ge ver- oder be­hin­dern.

In der Ab­schluss­run­de nann­te je­de Teil­neh­me­rin die An­re­gun­gen und Im­pul­se, die sie ger­ne aus die­sem Work­shop mit­neh­men möch­te. Das sind u.a. das Dank­bar­keits­tage­buch, ge­re­gel­te Zeit, Na­tur­er­leb­nis­se, In­ter­vi­sion, Per­spek­tiv­wech­sel, um Hilfe bit­ten kön­nen, freund­lich sein, Dank­bar­keit der Pa­tien­ten, Gren­zen set­zen, die Ar­beit struk­tu­rie­ren, das Te­le­fon aus­stel­len, pri­o­ri­sie­ren, Tür zu!, bes­se­re Kör­per­wahr­neh­mung.

Auf den Tod einlassen - Isabel Kalis

Isabel Kalis: Auf den Tod einlassenFrau Kalis war ganz kurz­fris­tig an­ge­fragt wor­den, da Frau Nord­hau­sen ab­sa­gen muss­te. Frau Kalis stell­te sich als Be­stat­te­rin und Clow­nin vor und be­schrieb den durch­ge­führ­ten Work­shop sel­ber als ei­nen ener­ge­ti­schen Aus­tausch, der mit spie­le­ri­scher Leich­tig­keit statt­fand.

Als Pflegekraft mit gesundem Rücken durch den Alltag - Franziska Kuhn

Kuhn-RückenschuleFrau Kuhn führ­te die Teil­neh­me­rin­nen mit vie­len prak­ti­schen Bei­spie­len durch den Work­shop und de­mons­trier­te und üb­te so Mög­lich­kei­ten zu mehr Rüc­ken­ge­sund­heit für die in der Pfle­ge tä­ti­gen Teil­neh­me­rin­nen. Be­queme Klei­dung und ei­ne Mat­te soll­ten mit­ge­bracht wer­den.

Mit Advanced Care Planning (ACP) zur besseren Patientenverfügung - mit Andre Nowak und RA Frank Hirschkorn

Herr No­wak er­läu­ter­te, dass oft­mals die Pa­tien­ten­ver­fü­gun­gen oh­ne fach­li­che An­lei­tung, ohne Ge­spräch und Er­läu­te­run­gen aus­ge­füllt wer­den und so die Si­tu­a­tion ein­tre­ten kann, dass der Arzt oder auch An­ge­hö­ri­ge nicht wirk­lich den Wil­len des Pa­tien­ten ver­ste­hen. Bei der ACP geht es um ei­ne vor­aus­schau­en­de Be­hand­lungs­pla­nung, die ein Werk­zeug für Pa­tien­ten dar­stellt, mit dem sie die Er­war­tun­gen, wel­che sie an ihre Be­hand­lung ha­ben, ein­deu­tig und ver­ständ­lich for­mu­lie­ren kön­nen. Dies soll­te stets un­ter An­lei­tung ge­sche­hen, um Miss­ver­ständ­nis­se und Irr­tü­mer aus­zu­schlie­ßen.
 

Die Vorträge

Die rechtliche Betreuung im Kontext Pflege, Vorstellung der Tätigkeit des Berufsbetreuers - Eik Schieferdecker

Dies war das Thema von Herrn Eik Schie­fer­dec­ker, der als So­zia­lar­bei­ter seit etwa 30 Jah­ren als Be­treu­er tä­tig ist; er lei­tet den Be­treu­ungs­ver­ein Mer­se­burg e.V. und ist auch Vor­sit­zen­der der LAG Be­treu­ungs­ver­ei­ne e.V. Sach­sen-An­halt. Be­reits in sei­nen Ein­gangs­wor­ten be­schrieb Herr Schie­fer­dec­ker den Zeit­um­fang, den er per Ge­setz für je­den Klien­ten zur Ver­fü­gung hat: Es sind 2,5 Stun­den im Mo­nat in­klu­si­ve al­ler We­ge, Schreib­ar­bei­ten, usw.! Er er­läu­ter­te in sei­nem Vor­trag die Un­ter­schie­de zwi­schen selbst­stän­dig tä­ti­gen Be­rufs­be­treu­ern und in ei­nem Ver­ein an­ge­stell­ten Be­treu­ern, die durch fach­li­che An­lei­tung, Wei­ter­bil­dun­gen und In­tra­vi­sion im Team sehr viel pro­fes­sio­nel­ler ar­bei­ten kön­nen.

Nach dem al­ten Be­treu­ungs­ge­setz von 1992 konn­te je­der Mensch Be­rufs­be­treu­er wer­den – mit der Re­form von 2023 ist das zwar im­mer noch so, aber es muss zu­vor ei­ne sehr an­spruchs­vol­le und auch kos­ten­in­ten­si­ve Prü­fung ab­ge­legt wer­den. Be­freit da­von sind al­ler­dings Ju­ris­ten und So­zial­ar­bei­ter. In ei­nem kur­zen Ex­kurs be­schrieb Herr Schie­fer­dec­ker die Si­tu­a­tion in der BRD von 1945 bis weit in die 80-iger Jah­re hi­nein, als es die Ent­mün­di­gung noch gab. Es wur­den Men­schen aus voll­kom­men sub­jek­ti­ven Grün­den (z.B. „Un­or­dent­lich­keit“ oder „Un­an­ge­passt­heit“) und oh­ne wirk­li­che recht­li­che Prü­fung ent­mün­digt und viel zu oft auch für Jah­re in der Psy­chia­trie un­ter­ge­bracht.

Herr Schie­fer­dec­ker hob be­son­ders eine Än­de­rung der Re­form her­vor: Bis­her war for­mu­liert, dass der Wunsch und das Wohl des be­treu­ten Men­schen im Mit­tel­punkt der Über­le­gun­gen und Ent­schei­dun­gen zu ste­hen ha­be. Nun hat der Ge­setz­ge­ber das „Wohl“ ge­stri­chen, da es zu sub­jek­tiv ist und zu sehr der In­ter­pre­ta­tion des je­wei­li­gen Be­treu­ers un­ter­wor­fen. Die Selbst­be­stim­mung und die in­di­vi­du­el­len Be­dürf­nis­se sol­len der Maß­stab sein und es soll sich bei der Tä­tig­keit in der Be­treu­ung um eine „Stell­ver­tre­tung bei Er­for­der­lich­keit“ han­deln. Als Bei­spiel nann­te er die Kon­to­über­zie­hung: Sehr vie­le Men­schen über­zie­hen re­gel­mä­ßig ihre Kon­ten und es gibt kei­nen Grund, dies ei­nem Men­schen, der unter Be­treu­ung sei­ner fi­nan­ziel­len An­ge­le­gen­hei­ten steht, grund­sätz­lich zu ver­wei­gern, so­lan­ge nicht die ab­so­lut not­wen­di­gen Le­bens­grund­la­gen (z.B. Woh­nung, Es­sen) da­durch ge­fähr­det wer­den. Aus­nah­me da­von bil­det das „Schutz­prin­zip“ bei Selbst- oder Fremd­ge­fähr­dung.

Die Re­form hat auch zum Ziel, recht­li­che Be­treu­un­gen über­haupt zu ver­mei­den – auch aus Kos­ten­grün­den, das Eh­ren­amt zu stär­ken und Hil­fe­stel­lun­gen von an­de­rer Sei­te – auch von Be­hör­den­sei­te z.B. beim Aus­fül­len von For­mu­la­ren – zu för­dern. Ge­wollt ist auch die so­ge­nann­te „un­ter­stüt­zen­de Ent­schei­dungs­fin­dung“ durch den Be­treu­er: der Klient soll z.B. das Aus­fül­len ei­nes An­trags­for­mu­la­res er­ler­nen, im Ideal­fall bis hin zur Selbst­stän­dig­keit. Dies ist lei­der auf­grund der knap­pen zeit­li­chen Res­sour­cen nicht re­a­lis­tisch für ei­nen Be­rufs­be­treu­er. Der Mer­se­bur­ger Be­treu­ungs­ver­ein un­ter­stützt aus die­sem Grund nach Kräf­ten die eh­ren­amt­lich tä­ti­gen Be­treu­er – meist sind das die An­ge­hö­ri­gen.

Übelkeit, Erbrechen, maligne abdominelle Obstruktion: Therapeutische Optionen, medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapieoptionen bei diesem komplexen Symptombild - Christian Schmidt-Werthern

Schmidt-WerthernZu­nächst er­läu­ter­te Dr. Schmidt-Wer­thern die Viel­zahl von Ur­sa­chen von Übel­keit und Er­bre­chen bei ma­lig­ner ab­do­mi­nel­ler Ob­struk­tion. Er nann­te ei­ne Rei­he von nicht-me­di­ka­men­tö­sen Mög­lich­kei­ten und wies auch auf die so­zia­le Di­men­sion hin, die bei Übel­keit und Er­bre­chen zu be­den­ken ist. An­schlie­ßend er­läu­ter­te er die me­di­ka­men­tö­sen Mög­lich­kei­ten, die in Ab­hän­gig­keit von der Ur­sa­che – me­di­ka­men­tös, me­ta­bo­lisch, Ma­gen-Darm-Pro­ble­me, zen­tral, psy­cho­gen und an­de­res – für die Pa­tien­ten zur Ver­fü­gung ste­hen.

Nun stell­te Dr. Schmidt-Wer­thern aus­führ­lich ein Fall­bei­spiel vor. Es han­del­te sich um ei­nen Pa­tien­ten, der von 2019 bis 2024 am Kli­ni­kum pal­lia­tiv we­gen zwei Tu­mo­ren am Ver­dau­ungs­trakt be­han­delt wur­de. Der Pa­tient woll­te kei­ne Be­strah­lung oder Che­mo­the­ra­pie. Aus die­sem Grund wur­de er mit ei­nem pal­lia­tiv­me­di­zi­ni­schen An­satz über die Jah­re et­wa sechs Mal mi­ni­mal­in­va­siv dort ope­riert, wo sich je­weils ein Ver­schluss ge­bil­det hat­te. Vor al­lem konn­ten je­weils Stents ge­legt wer­den. Die­se OP-Me­tho­de war je­weils so scho­nend und er­folg­reich, dass der Pa­tient im­mer nur ma­xi­mal drei Ta­ge im Kran­ken­haus sein muss­te und auch je­weils sehr rasch wie­der be­schwer­de­frei war. In den Mo­na­ten und auch Jah­ren zwi­schen den Ein­grif­fen konn­te er ein fast nor­ma­les Le­ben füh­ren.

Beim letz­ten Ein­griff, der en­do­so­no­gra­fisch ge­stütz­ten Gas­tro­en­te­ros­to­mie, han­delt es sich um ein ganz neu­es Ver­fah­ren, das sehr scho­nend ist, wenn auch nicht für je­den ge­eig­net. Dr. Schmidt-Wer­thern zeig­te zu sei­nem Vor­trag Gra­fi­ken und et­li­che Vi­de­o­do­ku­men­ta­tio­nen der Ope­ra­tio­nen, die deut­lich mach­ten, wie man sich die Ein­grif­fe vor­zu­stel­len hat. An­ge­nehm war, dass Dr. Schmidt-Wer­thern sich bei al­ler Be­geis­te­rung für die­se „tech­ni­schen“ Mög­lich­kei­ten als ein mit­füh­len­der Arzt zeig­te, für den das Wohl des Pa­tien­ten die obers­te Pri­o­ri­tät hat.

Nach diesen beiden Vorträgen konnten wir uns in einer mit viel Kuchen versüßten Kaffeepause wieder im Sonnenschein erholen und über das bereits Gehörte austauschen.

Das Konzept der 'Double Awareness' und mögliche Unterstützungen - Prof. Elisabeth Jentschke

Double AwarenessIm Haupt­vor­trag die­ses Nach­mit­tags stell­te Frau Dr. phil. Elisa­beth Jentsch­ke uns „Das Kon­zept der „Dou­ble Aware­ness“ und mög­li­che Un­ter­stüt­zun­gen“ vor; ver­mut­lich hat­ten bis da­hin vie­le Teil­neh­mer noch nie von die­sem Kon­zept ge­hört. Das Mot­to die­ses Fach­ta­ges, Ba­lan­ce hal­ten, fin­det sich in der „Dou­ble Aware­ness“ wie­der, die sich mit der Am­bi­va­lenz von Hoff­nungs­lo­sig­keit und Le­bens­wil­le am Le­bens­en­de und dem Um­gang da­mit be­schäf­tigt. Frau Dr. Jentsch­ke ist die Lei­te­rin des psy­cho­on­ko­lo­gi­schen, neu­ro­psy­cho­lo­gi­schen und ge­ron­to­lo­gi­schen Diens­tes am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Würz­burg und Vor­sit­zen­de der kli­ni­schen Ethik­kom­mis­sion.

Die Re­fe­ren­tin führ­te aus, dass die Bio­gra­fie ei­nes Men­schen und sein so­zia­les und fa­mi­liä­res Um­feld ent­schei­dend da­für sind, wie ei­ne Di­a­g­no­se, die mit der Aus­sa­ge „pal­lia­tiv“ ein­her­geht, ver­ar­bei­tet wer­den kann. Die wi­der­strei­ten­den Ge­füh­le von ei­ner­seits Angst, Hoff­nungs­lo­sig­keit und De­mo­ra­li­sie­rung und an­de­rer­seits dem Wunsch, zu le­ben und die ver­blei­ben­de Zeit zu ge­nie­ßen und zu nut­zen, stel­len die Pa­tien­ten sel­ber, aber auch An­ge­hö­ri­ge, Ärz­te und Pfle­ger oft­mals vor gro­ße He­raus­for­de­run­gen. An ei­nem Bei­spiel be­schrieb Frau Dr. Jentsch­ke, wie ein Sta­tions­team un­ter Um­stän­den „er­war­tet“, der Pa­tient mö­ge doch vor al­lem sei­nen na­hen­den Tod ak­zep­tie­ren und Re­ge­lun­gen tref­fen. Der Pa­tient sel­ber an­de­rer­seits schmie­det Zu­kunfts­plä­ne wie die Ent­las­sung aus der Kli­nik oder eine klei­ne Rei­se.

Das Kon­zept der „Dou­ble Aware­ness“ kann dem Pa­tien­ten und eben­so den An­ge­hö­ri­gen, Freun­den und Pfle­gern da­bei hel­fen, le­bens­zu­ge­wandt zu blei­ben und sich den­noch auf das Ster­ben und den na­hen­den Tod vor­zu­be­rei­ten. Und dann wird die­ser „Zu­stand“ der „Dou­ble Aware­ness“ auch nicht mehr als Schwä­che er­lebt.

Frau Dr. Jentsch­ke be­tonte, wie wich­tig in die­sen Si­tu­a­tio­nen ei­ne acht­sa­me und zu­ge­wand­te Kom­mu­ni­ka­tion ist, durch die das ho­he Kri­sen­po­ten­tial ab­ge­fe­dert wer­den kann, das sol­che Di­a­g­no­sen mit sich brin­gen. Sie führ­te das so­ge­nann­te ABCD-Kon­zept ein: At­ti­tu­de (Ach­tung) – Be­ha­vi­or (Ver­hal­ten) – Com­pas­sion (Mit­ge­fühl) – Di­a­lo­gue (Ge­spräch). Hoff­nung kann durch acht­sam­keits­ba­sier­te In­ter­ven­tio­nen ge­stärkt wer­den und da­durch, dass al­le ler­nen, mit die­sen Am­bi­va­len­zen um­zu­ge­hen und sie aus­zu­hal­ten. Dann kann auch mit Er­leich­te­rung die Ver­leug­nung des Wis­sens um die ver­kürz­te Le­bens­er­war­tung ab­ge­legt wer­den. Der be­fürch­te­te Ver­lust von Sinn und Le­bens­wil­len muss nicht statt­fin­den und die Am­bi­va­lenz der „Dou­ble Aware­ness“ wird nicht mehr als Sack­gas­se er­lebt, son­dern als Hil­fe.

Zum Schluss gab sie uns noch Worte von Hilde Domin mit auf den Weg: „Jeder, der geht, belehrt uns ein wenig über uns selber.“ Kostbarer Unterricht an den Sterbebetten.

Vorstellung und erste Erfahrungen aus dem Tageshospiz Leipzig - Anna Mühle

Anna Mühle, die als So­zial­pä­da­go­gin am Ta­ges­hos­piz des Hos­piz Vil­la Au­gus­te gGmbH in Leip­zig tä­tig ist, stell­te die in ganz Sach­sen bis­her ers­te Ein­rich­tung die­ser Art vor. Das Ta­ges­hos­piz nimmt seit März 2024 Gäste auf und in die­sem hal­ben Jahr konn­ten schon po­si­ti­ve ers­te Er­fah­run­gen ge­sam­melt wer­den. So fin­det zwi­schen den Gäs­ten ein gu­ter Kon­takt und Aus­tausch wäh­rend der An­ge­bo­te und des Es­sens statt, es wer­den auch ge­mein­sam klei­ne Aus­flü­ge un­ter­nom­men, z.B. zum na­he ge­le­ge­nen Süd­fried­hof. Ein Arzt muss, wie auch beim sta­tio­nä­ren Hos­piz, die Maß­nah­me ver­ord­nen und eben­so den Trans­port zum Hos­piz. Die­ser muss dann vom Gast sel­ber oder sei­nen An­ge­hö­ri­gen or­ga­ni­siert wer­den.

Es ist mög­lich, an ei­nem Schnup­per­tag das Haus ken­nen­zu­ler­nen. Um ins Ta­ges­hos­piz auf­ge­nom­men zu wer­den, muss man sich min­des­tens im Roll­stuhl fort­be­we­gen kön­nen. Bis­her sind die Gäs­te eher jün­ger, zwi­schen 40 und etwa 60 Jah­ren alt, die Aus­las­tung be­trug im Au­gust erst­mals 50%. The­ra­pien wie z.B. Phy­sio­the­ra­pie wer­den auf Re­zept an­ge­bo­ten und pfle­ge­ri­sche und pal­lia­ti­ve Maß­nah­men sind mög­lich, und wenn der Gast be­reits vom SAPV-Team be­treut wird, kann auch ein Arzt hin­zu­ge­zo­gen wer­den.


Der nächs­te Pal­lia­tiv­fach­tag ist für den 10. Sep­tem­ber 2025 ge­plant. Wir be­dan­ken uns ganz herz­lich für die­sen in­halts­schwe­ren Tag und die wie­der groß­ar­ti­ge Or­ga­ni­sa­tion und freu­en uns schon auf das nächs­te Jahr!

Bettina Jacobi, eh­ren­amt­li­che Hos­piz­be­glei­te­rin am Hospizverein Leipzig e.V.

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